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Tim Ingold: Eine Ökologie der Materialien
Eine Ökologie der Materialien
(S. 65 – 73)

Ein Fels ­ist ein Fels
 ist ein Fels.

Tim Ingold

Eine Ökologie der Materialien

PDF, 9 Seiten

Als Anthropologe und Akademiker bin ich außerstande, etwas mit meinen Händen zu machen, Schreiben und Cellospielen ausgenommen. Allerdings habe ich in Lappland ethnografische Feldforschung betrieben und war, zumindest damals, imstande, mit einer Rentier­her­de zurechtzukommen. Aufgrund des Charakters dieser Feldfor­schung habe ich mich intensiv mit den Gepflogenheiten der ökolo­gischen Anthropologie befasst, d.h. mit der Untersuchung der Beziehungen zwischen Menschen und ihrer Umgebung – all das inbegrif­fen, was das Leben ermöglicht. Aber ich interessierte mich auch für das Studium all dessen, was man heute als materielle Kultur bezeichnet. Früher einmal waren die ökologische Anthropologie und das Studium der materiellen Kultur so eng miteinander verknüpft, dass sie praktisch ununterscheidbar waren. Doch dem ist heute nicht mehr so. Ja, in den letzten Jahren scheinen Studierende der ökologi­schen Anthropologie und Studierende der materiellen Kultur in zuneh­men­dem Maße aneinander vorbeizureden. Das ist recht seltsam, da sich sowohl die ökologischen Anthropologen als auch die Erforscher der materiellen Kultur umfassend mit den materiellen Be­dingungen des Lebens beschäftigen – damit, wie Leben in materieller Hinsicht möglich ist. Ökologen sagen, wir seien in ein Gewebe des Lebens eingebettet, das unsere Beziehungen zu allen Arten nicht-menschlicher Organismen umfasst. Und die Erforscher der materiellen Kultur sagen, wir seien Menschen, die in komplizierte Netzwerke von Personen und Dingen eingebettet sind. Wir sprechen also alle von Beziehungen, Geweben des Lebens, Netzwerken von Personen und Dingen, und dennoch sprechen wir verschiedene Sprachen.


Heutzutage ist es beliebt geworden, »Nicht-Menschen« in die Geschichten einzubeziehen, die wir über uns erzählen. Sowohl ökologische Anthropologen als auch Erforscher der materiellen Kultur haben viel über die Beziehungen zwischen Menschen und Nicht-Menschen zu sagen. Doch es stellt sich heraus, dass sie sich auf sehr unterschiedliche Nicht-Menschen beziehen. Für ökologische Anthropologen zählen zur Kategorie des Nicht-Menschlichen andere Tiere, Pflanzen, die Erde, das Wetter und Klima, der Sonnenschein usw. Doch Erforscher der materiellen Kultur lassen das alles außen vor und beziehen sich stattdessen schlicht und einfach auf Artefakte. Tatsächlich fordern sie, dass jede Untersuchung der Menschen all die Artefakte einschließen muss, mit denen wir uns selbst umgeben, da gerade die Tatsache, dass wir uns mit solchen Artefakten umgeben, uns unverkennbar menschlich macht. Tatsächlich entspricht das nicht ganz der Wahrheit, da viele menschliche Gesellschaften sich nicht groß um Artefakte kümmern, während viele Nicht-Menschen sehr stark mit Dingen wie Landschaft und Ort befasst sind. Die Unter­scheidungen, die zwischen Menschen und Nicht-Menschen getroffen werden, sind daher häufig nicht so zuverlässig wie gemeinhin angenommen. 



Meines Erachtens ist dies jedoch...

  • Materialästhetik
  • Spekulativer Realismus
  • Design
  • Architektur
  • Anthropologie
  • materialist turn
  • Ding
  • Materialität

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Tim Ingold

ist Professor für Sozialanthropologie an der University of Aberdeen. Zur Exemplifizierung seiner theoretischen Arbeit zu Technologien und Lebensumständen am Nordpol, Evolutionstheorie, Sprache und Werkzeuggebrauch und Umweltwahrnehmung unternahm er zahlreiche Feldforschungen in Lappland. In seinen wissenschaftlichen Arbeiten beleuchtet er die Schnittstellen von Anthropologie, Archäologie, Kunst und Architektur.

Weitere Texte von Tim Ingold bei DIAPHANES
Kerstin Stakemeier (Hg.), Susanne Witzgall (Hg.): Macht des Materials – Politik der Materialität

Seit einigen Jahren lässt sich in den Künsten und den Wissenschaften eine zunehmende Neufokussierung auf materielle Phänomene beobachten. Unterschiedlichste Disziplinen heben die Eigendynamik und Wirkungsmacht von Materie, Material und Dingen hervor und betonen deren Status als Akteure in den Beziehungsgeflechten von Kultur und Natur. Das Buch »Macht des Materials – Politik der Materialität« vertieft diesen aktuellen Diskurs und setzt materialistische Tendenzen in Kunst, Design und Architektur erstmals in direkten Dialog mit verschiedenen geistes- und sozialwissenschaftlichen Ansätzen eines »Neuen Materialismus«. Die vorliegende Publikation ist Ergebnis des ersten Jahresprogramms des neu gegründeten cx centrum für interdisziplinäre studien an der Akademie der Bildenden Künste München.

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