Joseph Vogl
Kalkül und Leidenschaft
Joseph Vogl
Le spectre du capital
Reportagen, Fiktionen, Wirklichkeiten der Hauptstadt des 20. Jahrhunderts
Die Allgegenwart der Kritik, ihre Dominanz in Gestalt von Themen, in Gestalt von Verhaltensweisen und Bekenntnissen, ist ein erstes Anzeichen für die Abwesenheit kritischen Denkens.
In akademischen Kreisen dominiert gegenwärtig eine regelrechte Inventarisierung und Archivierung der Kritik, eine fleißige Verwaltung des kritischen Hausrats. Hier begegnet man allerlei Relevanzprüfern und Erbschaftsverwaltern, die das Brauchbare vom Unbrauchbaren trennen und die Familienzugehörigkeiten überwachen. Kritik erstarrt, weil sie in ihren Händen oft nicht mehr ist, als der beliebige Gegenstand eines enzyklopädischen Interesses. Dieses leidenschaftslose Interesse, das von keinem Impuls geleitet, von keinem Affekt getrieben wird, kennt nichts Liebens- oder Hassenswertes. Auf der anderen Seite drängen sich vermeintliche Gegenspieler in den Vordergrund, die meinen, die Kritik als ein rein evaluatives und optimierendes Unternehmen entlarven zu können. Hier sind es nicht Aktualitätsbescheiniger und Treuhandwächter, mit denen man es zu tun bekommt, sondern juvenile Rebellen und halbstarke Aufschneider. Sie verkünden mit antiakademischen Volten, die doch mitten in der...
J.G. Ballard’s self-declared ‘Immodest Proposal’ for a global war-alliance to exact the destruction of America demonstrates the provocatory zeal of his last fiction plans, as well as their enduring prescience. As Ballard emphasises several times in the World Versus America notebooks, he is utterly serious in his concerns and visions.
Although the Ballard estate declined permission for any images of pages from the World Versus America archival notebooks to accompany this essay, any member of the general public interested to do so can readily visit the British Library and view the notebooks in their entirety in the freely-accessible manuscripts collection there.
Ich hasse die Avantgarde. Wenn ein derart selbstironischer und selbstreflexiver Künstler wie Yuri Albert solch eine Aussage über Kunst trifft, dann sind Zweifel angebracht. Wie seine gesamte Serie Elitär-demokratische Kunst spielt auch dieser Werktitel bewusst mit einfachen Bejahungen und Verneinungen und rückt zugleich das Rezeptionsdilemma der Serie ins Bild: Ein (Groß-)Teil der künstlerisch vorgebildeten Betrachter sieht die Arbeiten in Stenografie als abstrakte Formen, ohne den Text zu verstehen, und nur die wenigen, die (russische) Stenografie lesen können, nehmen einen Text wahr, der für sie jedoch nicht zwangsläufig Kunst sein muss.
Ich hasse die Avantgarde entstand 2017 nach einer Skizze von 1987 als Reaktion auf eine veränderte Rezeptionssituation der nonkonformistischen Kunst. Mit Beginn der Perestroika konnte die inoffizielle Kunst, die bislang aus dem staatlichen Kunstbetrieb, d.h. aus der offiziellen Infrastruktur von Museen und Ausstellungsräumen sowie aus den Diskursen von Kunstwissenschaft und -kritik ausgeschlossen war, plötzlich in größeren, öffentlich zugänglichen Ausstellungen gezeigt werden....