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Thomas Hirschhorn: Kunst politisch machen: Was heisst das?
Kunst politisch machen: Was heisst das?
(S. 71 – 82)

»Bereit sein, als erster den Preis für die eigene Arbeit zu bezahlen«

Thomas Hirschhorn

Kunst politisch machen: Was heisst das?

In seinen beiden Beiträgen zeigt Thomas Hirschhorn, warum nicht »politische Kunst«, sondern Kunst politisch gemacht werden sollte. Indem er Klassifizierungen wie »Politische Kunst«, »Engagierte Kunst« und »Politisch engagierter Künstler« zurückweist, etabliert Hirschhorn eine Definition der Kunst, die sich über die Relation von »Liebe«, »Politik«, »Philosophie« und »Ästhetik« realisiert. Damit verteidigt er eine Kunst, deren Politizität in der künstlerischen Aktivität und nicht in einem politischen Einsatz liegt. Durch diesen Abstand, der Hirschhorns Position von einer Kunst der Meinungsfindung distanziert, formuliert sich die Autonomie des Werks, die sich nicht auf einen Kontext dezimieren lässt, sondern die Wirklichkeit direkt konfrontiert.


Die Begriffe »Politische Kunst«, »Engagierte Kunst«, »Politischer Künstler« oder »Engagierter Künstler« werden heute sehr oft benutzt. Diese Verein­fachungen und Abkürzungen sind schon lange überholt. Es sind billige und denkfaule Klassifizierungen. Keine Sekunde denke ich, ich sei ›engagierter‹ als ein anderer Künstler. Als Künstler muss man total engagiert sein mit seiner Kunst. Es gibt keine andere Möglichkeit, wenn man etwas erreichen will mit seiner Kunst, als totales Engagement. Das zählt für jede Kunst. Es besteht heute eine große Konfusion um die Frage, was »politisch« sei. Mich interessiert nur das wirklich Politische, das impliziert: Wo stehe ich? Wo steht der andere? Was will ich? Was will der andere? Die Politik der Meinungen, Kommentare und Mehrheitsfindungen interessiert mich nicht und hat mich nie interessiert. Denn es geht mir darum, meine Kunst politisch zu machen, es geht mir nicht – es ging mir nie – darum, politische Kunst zu machen. Den Satz »Kunst politisch machen – nicht politische Kunst machen« habe ich von Godard. Er hat gesagt: »Es geht darum, Filme politisch zu machen, es geht nicht darum, politische Filme zu machen.«. Aber was heißt: Kunst politisch machen?



Kunst politisch machen, heißt Form geben



Nicht eine Form machen – Form geben. Eine Form, die von mir kommt, die nur von mir kommt, die nur von mir kommen kann, weil ich die Form so sehe, weil ich die Form so verstehe und nur weil ich die Form so 
kenne. Form geben heißt – im Gegensatz zu einer Form machen – mit ihr eins sein. Ich muss aushalten können, mit dieser Form alleine zu sein. Es geht darum, die Form hochzuhalten, die Form zu behaupten und sie zu verteidigen. Gegen alles und gegen jeden. Es geht darum, sich der Formfrage zu stellen und zu versuchen, durch die Formgebung eine Antwort zu geben. Ich will versuchen, mich der großen künstlerischen Herausforderung zu stellen: Wie kann ich eine Form geben, die eine Position bezieht? Und wie kann ich eine Form geben, die den Tatsachen widersteht? Ich will die Formfrage als die Wichtigste aller Fragen des Künstlers verstehen.


Kunst politisch machen, heißt etwas erschaffen


Etwas erschaffen oder etwas schöpfen kann ich nur, wenn ich mich positiv zur Wirklichkeit verhalte, auch zum harten Kern der Wirklichkeit. Aber es geht darum, die Lust, die Freude, den Spaß an der Arbeit, das Positive am Schaffen, das Schöne am Arbeiten nie durch Kritik ersticken zu lassen. Es geht darum, nicht zu reagieren, es geht darum, immer aktiv zu...

  • Kritik
  • Gegenwartskunst
  • Engagement
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Thomas Hirschhorn

ist Künstler. Er lebt und arbeitet in Paris. 2002 nahm er an der documenta 11 in Kassel teil. Weitere wichtige Ausstellungen waren Das Auge in der Wiener Secession (2008); 24h Foucault im Palais de Tokyo, Paris (2005) und Swiss-Swiss Democracy am Centre Culturel Suisse in Paris (2004).

Weitere Texte von Thomas Hirschhorn bei DIAPHANES
Tobias Huber (Hg.), Marcus Steinweg (Hg.): INAESTHETIK – NR. 1

Um das Thema »Politiken der Kunst« gruppieren sich die Texte der Nummer 1 der Zeitschrift INAESTHETIK. Gibt es einen politischen Auftrag des Kunstwerks? Wie bestimmt sich der Ort des Kunstwerks im sozialen Feld? Wie verhalten sich Kunstproduktion, Kunstkritik, Kunstwissenschaften und Philosophie zueinander? Ist Kunst zwingend kritisch: institutions-, markt- und ideologiekritisch? Oder setzt das Kunstwerk noch der Kritik und ihrem guten Gewissen Grenzen, die aus ihm eine riskante und vielleicht notwendig affirmative Praxis machen? Liegt der Sinn in diesen immer wieder mit dem Kunstwerk verbundenen Kategorien des Widerstands und der Subversion nicht auch in einer Art Selbstberuhigung, die es dem Künstler und der Künstlerin erlaubt, am politischen Spiel ohne wirklichen Einsatz teilzunehmen, sodass das politische Bewusstsein die Funktion einer uneingestandenen Entpolitisierung übernimmt? Wie affirmativ muss ein Kunstwerk sein, um subversiv oder politisch sein zu können?

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