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Matthias Wittmann: »You can't put your arms around a memory«
»You can't put your arms around a memory«
(S. 61 – 94)

Matthias Wittmann

»You can't put your arms around a memory«
Filmische Gesten des Erinnerns

PDF, 34 Seiten

Nach einer Zusammenschau von Modellen und Metaphern der Erinnerung, die den Händen eine (über-)tragende Rolle zuschreiben und das Zusammenspiel von Erinnern und Vergessen als Theater der Gesten vorstellen (Taubenschlag; Wunderblock; Daumenkino; Penelopearbeit), geht es in dem Beitrag um das Medium Film als spezifische Fabrik mnemonischer Gesten, Pathosformeln und Erinnerungsfiguren. Hände im Film entwickelten sich nicht nur zu eigenständigen Handlungsträgern, ihre Handlungen wurden zum Auslöser, Begleiter und Träger von Erinnerungserfahrungen. Vor dem Hintergrund von Giorgio Agambens Konstatierung einer »allgemeinen Katastrophe der Sphäre des Gestischen« um 1900 und Walter Benjamins Gedanken zur Geste als »Unterbrechung« wird insbesondere Robert Wienes früher Psychothriller »Orlacʾs Hände« (1924) in den Fokus genommen, der bemerkenswerterweise mit der Entstehung von Freuds Wunderblock-Notiz und Bretons erstem surrealistischen Manifest koinzidiert. Die entlang von Orlacs Besessenheiten und Tics ausbuchstabierte Katastrophe des Gestischen kann mit Benjamin als Möglichkeit einer neuen Erinnerbarkeit entziffert werden, die sich aus dem Zusammenspiel von Riss und Spur, Unterbrechung und Kontinuität, »Störung der Verweisung« (Geimer) und neuer Kontaktaufnahme ergibt. Entscheidend ist, dass Orlac von unheimlichen Gesten heimgesucht wird, die sich als Unterbrechungen von Kontinuität ins Geschehen einmischen.

  • Wahrnehmung
  • Erinnerung
  • Film
  • Kinematografie
  • Kino

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Deutsch

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Matthias Wittmann

Matthias Wittmann

ist Film- und Literaturwissenschafter, derzeit Assistent am Seminar für Medienwissenschaft (Basel). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Filmphilosophie, Filmästhetik, Filmtheorie, mediale Mnemographien.

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Ute Holl (Hg.), Matthias Wittmann (Hg.): Memoryscapes

Von Anfang an war Kino nicht nur Speicher und damit Form des Gedächtnisses, sondern zugleich eine sichtbare Apparatur des Erinnerns und eine differentielle Anordnung, die Erinnerungstheorien generierte. Die konstitutiv und vielfältig auf Fragmentierung beruhende Wahrnehmung im Kino ist auf unser re-membering angewiesen. Als Ort der Herstellung und Darstellung von Erinnerung hat das Kino nicht nur ein Heer von Gedächtnismetaphern, sondern auch ein ganz spezifisches Gedächtniswissen hervorgebracht.
Dieser Band untersucht die Kinematographie als Mnemographie. Gefragt wird nach filmischen Formen und Formungen des Erinnerns, nach Erinnerungseffekten und -defekten, nach Dispositiven und Phantomen, Gesten und Anamorphosen der Erinnerung, nach der spezifischen Gedächtnispolitik des Kinos, den filmischen Oberflächen des Unbewussten, nach körperlosen und verkörperten Erinnerungen, Wieder-Sehen und Wieder-Hören, traumatisierten Memoryscapes.

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