Die Oberfläche ist für die Schriftwerdung von zentraler Bedeutung. In Zeiten knapper Ressourcen kam es immer wieder dazu, dass bereits beschriebene Oberflächen recycelt wurden. Mit dem Vorgang des Palimpsestierens, d.h. dem Abwaschen, dem Abschaben oder dem chemischen Ablöschen bisweilen uralter Beschriftungen von Papyri und Pergamenten verbindet die Forschung seit je her die Aufarbeitung des Vorgangs und vor allem das Identifizieren der unter einer gereinigten Oberfläche befindlichen palimpsestierten Texte. Im Spätmittelalter verliert die ehedem dominierende wirtschaftliche Seite des Palimpsestierens ihre Bedeutung. Auf und unter der Oberfläche geht es jetzt um Inhalte, um Interessen; um Manipulation. Federmesser und Bimsstein mutieren von ›einfachen‹ Handwerkzeugen der Oberflächenbehandlung zu vieldimensionalen Instrumenten der Textveränderung und Textfälschung.