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Katja Müller-Helle: Stumme Zeugen
Stumme Zeugen
(S. 37 – 48)

Katja Müller-Helle

Stumme Zeugen
Fotografische Bildevidenz am Rand der Wahrscheinlichkeit

PDF, 12 Seiten

Den Physiker Gustav Theodor Fechner beschlichen in den 1870er Jahren Zweifel an der Glaubwürdigkeit der Experimentalanordnung, die Karl Freiherr von Reichenbach ihm in einer disparaten Zusammenstellung aus Präparaten, Magneten, Metallen und gewöhnlichen Eiern in einem Hotelzimmer als avanciertes Evidenzgefüge für die von ihm entdeckte Odkraft präsentierte. Umso erstaunlicher, dass die Lehre vom Od – einer die gesamte Welt durchströmenden Kraft – bis weit ins 20. Jahrhundert hinein ex negativo als Aktant zur Stabilisierung anerkannter Wissensordnungen auftrat. Der Beitrag verfolgt am Beispiel des Ods wie sich an der epistemologischen Grenze ungesicherter Fakten und kanonisierter Wissensbestände Beglaubigungsstrategien durch fotografische Aufzeichnungen herausbildeten. Jenseits einer Spur des Realen, welche im Register der Ähnlichkeit den Wirklichkeitsbezug fotografischer Dokumente verbürgt, geht es um Konstellationen technisch-apparativer Anordnungen, diskursiver Praktiken, medialer Verbreitungen und institutioneller Autorisierungsprozesse, in denen Bilder als Dokumente erst Wirksamkeit erlangen.

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Katja Müller-Helle

Katja Müller-Helle

ist Postdoc an der Kollegforschergruppe BildEvidenz. Geschichte und Ästhetik des Kunsthistorischen Instituts der Freien Universität Berlin. 2014/15 war sie Fellow am Getty Research Institute in Los Angeles. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Geschichte und Theorie der Fotografie, Bildtheorien der Evidenz und Destruktionskunst.

Weitere Texte von Katja Müller-Helle bei DIAPHANES
Gesellschaft für Medienwissenschaft (Hg.): Zeitschrift für Medienwissenschaft 11

»Dokument und Dokumentarisches« zielt auf die unterschiedlichen Akte der Beglaubigung und Bezeugung, des Beweisens, Registrierens und Zertifizierens, letztendlich also der Herstellung von Evidenz, Authentizität und Wahrheit und fragt danach, wie sich diese Akte jeweils medienspezifisch ausprägen und welche Gesten und Einsätze des Dokumentarischen die Autorität einer dokumentierten Wahrheit irritieren oder unterlaufen. Die synchrone und diachrone Vielfalt dokumentarischer Bezugnahmen lässt sich nicht nur in den etablierten audiovisuellen Mediengenres, wissenschaftlichen Darstellungsformen und künstlerischen Praktiken verfolgen. Sie verweist darüber hinaus auf den Sachverhalt einer ins Alltagsleben der Mediennutzer/innen diffundierenden dokumentarischen Formensprache, die die zeitgenössischen digitalen Regime der Produktion von Subjektivität und Kollektivität maßgeblich bestimmen.

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