Stefan Rieger stellt anhand einer Reihe von »epistemischen Selbstläufern« aus der Wissenschaftsgeschichte der experimentellen Phonetik und Physiologie des 19. und 20. Jahrhundert die Frage nach einer historischen Metawissenschaft der Wissenschaft, die mit ihren Formen der Selbstdarstellung, mit ihren heroischen und teleologischen public relations einen Betrieb abschirmt, wo oft vollendet sinnlose, vom Zufall diktierte Verfahren und Techniken den Gang der Dinge mitbestimmen. Der Bogen, der gespannt wird, reicht von der Selbstdarstellung des heldenhaften Pioniers wie Thomas Alva Edison bis hin zu zeitgenössischen Experimenten, die nur noch rechnergestützt (selbst-)laufen. Die Wissenschaftsgeschichte kennt Unternehmungen wie die des Physiologen Robert Tigerstedt, der mit immer aufwändigeren, ins Leere laufenden Verfahren das Überleben von Organen außerhalb ihrer natürlichen Umgebung erforschte. Solche Versuchsreihen zeigen auch als Extremfall, wie Wissenschaft in ihrer Eigenlogik blind werden und den Kontakt mit ihrem Erkenntnisauftrag verlieren kann. Es ist aber eine überfällige Aufgabe der Forschung, an zahlreichen Beispielen die Leerlaufdynamik als eine der effektivsten Kräfte in der Wissenschaft der Moderne zu beschreiben.