»Yet living organisms are historical structures: literally creations of history. They represent, not a perfect product of engineering but a patchwork of odd sets pieced together when and where opportunities arose.«1
François Jacob, 1977
»Wissenschaft hierzulande ist verkrampft«, so befand Ingo Rechenberg, Lehrstuhlinhaber an der Technischen Universität Berlin, in der Rückschau auf gute fünfzehn Jahre des Experimentierens, die ihn aus seiner Werkstatt in der Weddinger Ackerstraße über den Tegeler See zu den Solfataren Neapels und schließlich in die marokkanische Wüste geführt hatten. Wie Wissenschaft jenseits der ihm zufolge falschen Dichotomie von »Grundlagenforschung« und »angewandter Forschung« aussehen könnte, »ein Kapitel nicht-alltäglicher Wissenschaft« locker dargestellt – darauf zielte Rechenbergs 1994 unter dem doch wenig verspielten Titel Photobiologische Wasserstoffproduktion in der Sahara erschienene Monografie ab (Abb. 1).2 Kerngedanke war die Produktion von Wasserstoff durch eigens isolierte Mikroorganismen in bionisch imitierter Symbiose und das bedeutete in der praktischen Ausführung: In Rechenbergs Bioreaktor setzten Algen Lichtenergie in Biomasse um, von der sich Bakterien nähren, deren Abfallprodukt Wasserstoff dem Menschen nützen sollte.
Rechenbergs bioenergetisches Treiben, das in den siebziger Jahren begann und 1994 mit der Publikation seinen Abschluss fand, ist ein guter Ausgangspunkt, um das zu skizzieren, was man vielleicht die Mikro- und Metabiologien um 1980 nennen könnte. Dies waren Diskurse, in denen die symbiotische Kompetenz insbesondere kleiner Lebensformen sowie ihre Rolle in Ökologie und Evolution in den Vordergrund rückten. Daraus ergibt sich nicht nur ein Baustein zu der noch zu schreibenden Geschichte der ›guten Mikroben‹, oder, um einen Aspekt dieses Topos zeitgenössisch auszudrücken, der Schwarmintelligenz des Kleinen, sondern insbesondere ein differenzierterer Blick auf das Spektrum dessen, was Biotechnologie um 1980 auch umfasste. Neben der viel diskutierten Kommerzialisierung biologischer Wissensproduktion war dies die Vision einer anderen, besseren sozialen und technologischen Zukunft, in welcher die Fertigkeiten des kleinen Lebens als eine besondere Form der Technologie eine wichtige Rolle spielen sollten. Möglicherweise existierte parallel zur Mikrobe auch eine Lebensform in der Wissenschaft, ein Typus Forscher, der sich nicht in die bekannten Schubladen der Biotech-Historiographie einordnen lässt. Rechenberg jedenfalls vereinte spielend diverse Rollen. Vielleicht lebte er zwischen diesen verschiedenen Milieus mit ihren scheinbaren Widersprüchen in den achtziger Jahren das, was Jean-François Lyotard die »Wissenschaft in ihrer alltäglichen Existenz, als Tätigkeit von einigen Millionen minoritäre[n] Forschern« nannte – weder Entrepreneur noch Grundlagenforscher oder gar Amateur, im Beamtenstatus und trotzdem in der Wüste, Weltenbummler, Aussteller auf der Hannover-Messe wie im Schloss Charlottenburg, einer besseren, anderen Technologie auf der Spur, die es mithilfe unscheinbarer Mikroben zu...