Der »Trip durch die Computerszene« begann für den Pflasterstrand-Journalisten Matthias Horx in der Elektroabteilung eines Kaufhauses. In seinem gleichnamigen, 1984 erschienenen Buch betrachtete er dort fasziniert eine neue Spezies – computerbegeisterte Jugendliche, oder, wie er es in einem romantischen Anflug formulierte, »Mikro-Clochards«. Diese liefen »ständig mit einem Diskettenstapel unter dem Arm herum, von Kaufhaus zu Kaufhaus, immer auf der Suche nach dem freien Schacht eines Diskettenlaufwerks und einem Cursor, der nur für sie blinkt.«1 Ein ähnliches Bild hatte Der Spiegel im Jahr zuvor gezeichnet:
»Sie drängeln und schieben, schubsen und rangeln durch die schmalen Einlässe in das Centrum. Teenies in Jeans und Sportjacken haben die rechtzeitig zum Weihnachtsfest errichtete Computer-Hochburg besetzt. In Dreier-Reihen belagern sie die begehrten Plätze an den Maschinen. Computer-Knirpse hacken aus dem Stegreif ein eigenes Programm in die Tasten […]. Wohlgefällig betrachten die Verkäufer das bunte Getümmel in dem eleganten Centrum. ›Wir lassen die hier spielen‹, erklärt einer den staunenden Erwachsenen, ›das sind nämlich unsere Kunden‹.«2
Als Idylle wollte der Spiegel-Journalist die Szenerie indes nicht verstanden wissen: »Computer – das ist wie eine Sucht«, lautet der Untertitel des Beitrags. Horx’ leise Faszination für die »Mikro-Clochards« und der besorgte Duktus des Spiegel stehen stellvertretend für die allgemeine Verunsicherung, die sich in der Bundesrepublik in der ersten Hälfte der achtziger Jahre angesichts der Computerisierung der Privathaushalte breit machte. Eine neue Technologie trat auf den Markt – ihr gesellschaftlicher Sinn und damit die legitimen und illegitimen Arten ihrer Nutzung mussten jedoch erst austariert werden.3
Während die ersten Heimcomputer bereits in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre auf den US-Markt kamen, erreichten sie erst in den ersten Jahren der folgenden Dekade die westeuropäischen Märkte – und dies gleich als Massenprodukt. Trotz der ›ernsthaften‹ Anwendungsmöglichkeiten, mit denen die neuen Rechner beworben wurden, waren zugleich Computerspiele ihr Einsatzzweck und damit Jugendliche eine ihrer primären Zielgruppen.4 Das Spielen am Computer war das wohl am heftigsten skandalisierte, jedoch keinesfalls das alleinige Merkmal der Computerkids. Es ging um das bis dato unbekannte Phänomen der – wie es ein zeitgenössischer Autor definierte – »in der Regel männliche[n] Schüler[,] die sich in ihrer Freizeit intensiv mit dem Computer beschäftigen« und ihn zum »zentrale[n] Interessenobjekt ihrer Freizeit« machten.5 Das ›Computerkid‹ oder der ›Computer-Fan‹ war eine zeitgenössisch äußerst virulente ›Sozialfigur‹.6 Bereits 1984 stellte der Kulturtheoretiker Georg Seeßlen fest, ›Computerjugendliche‹ seien »zu einem handfesten Kultur-Mythos geworden«, mit ihren massenmedialen Repräsentationen als »beinahe schon eine[m] feuilletonistische[n] Genre«.7 Dieses »Genre« wurde zudem durch jene Subkulturen beflügelt, die am Rande der Legalität...